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Maria in Bibel und Theologie

Maria in Bibel und Theologie
Im Bibelkurs nehmen wir auch Themen der Theologie auf, die Fragen aufwerfen und unterschiedlich beurteilt werden.

Ein immer wieder umstrittenes Thema ist die Jungfrauengeburt. Es geht um Maria und um ihre Stellung und Bedeutung in der Bibel. Wenn man von der Bibel ausgeht und das älteste und historisch zuverlässigste Markus- Evangelium als Beleg nimmt, so gibt es keine Geburtsgeschichte und dann nur zwei Stellen, wo Maria namentlich genannt wird. Aber unter dem Kreuz und in den Ostergeschichten wird Maria nicht erwähnt. Also ist Maria zwar ein wichtiger Mensch in der Jesusgeschichte, aber die marianischen Dogmen der katholischen Kirche sind nur zum Teil biblisch belegt. Es gibt vier mariologische Dogmen:
die Gottesmutterschaft, die immerwährende Jungfräulichkeit, die unbefleckte Empfängnis und die leibliche Aufnahme in den Himmel. Darum wurde heftig gerungen, bis die Dogmen dann als verbindlich erklärt wurden.

Jungfrauengeburt
Im Glaubensbekenntnis heisst es: Empfangen durch den Heiligen Geist, geboren von der Jungfrau Maria. Die Vorstellung einer jungfräulichen Geburt gab es in der Antike in verschiedenen Kulturen, bei den Ägyptern, bei den Griechen und anderen Völkern, insofern war das für die ersten Christen keine unvorstellbare Sensation. Auch die Reformatoren Luther, Zwingli und Calvin übernahmen die Lehre von der Jungfrauengeburt. Entscheidend ist, wie diese Glaubenswahrheit verstanden wird. Als Theologieprofessor hat der spätere Papst Benedikt eine erstaunlich klare Deutung geäussert:
«Die Empfängnis Jesu ist Neuschöpfung, nicht Zeugnis durch Gott. Gott wird dadurch nicht etwa zum biologischen Vater Jesu. Die Gottessohnschaft Jesu beruht nicht darauf, dass Jesus keinen menschlichen Vater hatte. Die Lehre vom Gottsein Jesu würde nicht angetastet, wenn Jesus aus einer normalen menschlichen Ehe hervorgegangen wäre.» Auch die Psychologie hat sich mit der Vorstellung der Jungfrauengeburt befasst. Vor allem C. G. Jung, der Schweizer Psychologe, hat das Bild des göttlichen und rettenden Kindes als einen Archetyp, ein Urmuster der Seele verstanden. Das göttliche Kind ist das grosse Symbol für das «Nichterzeugte». Und Eugen Drewermann kommt in seinen Büchern über «Tiefenpsychologie und Exegese (Schriftauslegung)» zum Resultat, dass die biblischen Kindheitsgeschichten nicht erklären, sondern verklären, nicht begreifen, sondern ergreifen, nicht beweisen, sondern hinweisen wollen. Auch mit diesen psychologischen Erklärungen bleibt am Schluss aber die Frage, ob eine Jungfrauengeburt wie im Fall Jesu historisch, d.h. wirklich so geschehen ist.

Maria, die Gottesmutter
Die Konzilien von Ephesus (431) und von Chalcedon (451) haben diese Glaubenswahrheit so zusammengefasst: Maria ist die Gottes Gebärerin, weil sie in einem menschlichen Geburtsakt dem Menschen das Leben geschenkt hat, der die zweite göttliche Person ist. Was dann zur grundlegenden Glaubenswahrheit führt: Jesus ist ganz Mensch und ganz Gott, also kein Halbgott. Daran haben die katholische und orthodoxe Kirche, aber auch die reformatorischen Kirchen festgehalten. Die weiteren Dogmen der immerwährenden Jungfräulichkeit, der unbefleckten Empfängnis und der leiblichen Aufnahme in den Himmel werden hingegen unterschiedlich bewertet.

Einordnung
Wer sich mit den marianischen Dogmen schwer tut, kann bei Hans Küng eine verständliche Erklärung finden: Die Jungfrauengeburt gehört nicht zur Mitte des Evangeliums. Man kann sich zu Jesus als Messias, Christus, Gottessohn bekennen, auch wenn man nichts von der Jungfrauengeburt weiss oder wusste (wie die Evangelisten Markus und Johannes und der Apostel Paulus). Denn die Erzählung von der Jungfrauengeburt beschreibt kein biologisches Faktum, sondern eine Glaubensaussage:
Mit Jesus hat Gott einen neuen Anfang gemacht, indem er unser Menschsein annahm, um uns Gott als mitgehenden, mitfreuenden und mitleidenden Hirten zu offenbaren. Und zu Maria sollten wir noch einen anderen Zugang suchen als über die schwer zu verstehenden Dogmen, so wie sie es selbst im Magnificat ausgerufen hat: «Meine Seele preist den Herrn, denn Grosses hat er an mir getan.» Eine Frau, die sich mit Mut und Vertrauen auf den Plan Gottes eingelassen hat, die den Weg Jesu mitgegangen ist auch dort, wo es ihr schwergefallen ist, die auch gefragt und Bedenken geäussert hat – eine Frau, die uns Schwester ist auf unserem Weg, erdnah und geisterfüllt.

Matthias Rupper
Beitrag erstellt: 18. August 2023